Mit der Stadtkapelle blüht die Musik auf

Ein erhabener Moment - bei "Moment for Morricone", das der Filmmusik-Legende ein Zeichen setzt, glänzt nicht nur die Gesamtkapelle, sondern auch der Chor der "SchwetSingers".

Lutherhaus - Eindrucksvolles Konzert mit bekannten Titeln verschiedener Genre / Sängerbund-Chor "SchwetSingers" untermalt mit prächtigem Gesang / Starker Nachwuchs

Wenn die Kirschblüte im Schlossgarten die Massen in die Sonne treibt und sich die Schlangen an der nächsten Eisdiele ins Epische ziehen, erwartet ein Publikum, das sich für einen Aufenthalt in vier Wänden entscheidet, mit gutem Recht Außergewöhnliches. Für das Frühjahrskonzert des Musikvereins Stadtkapelle heißt das: das Beste - oder nichts. Doch sollten voll besetzte Reihen in gut zweieinhalb Stunden schwerlich bereuen, an diesem Nachmittag den Weg ins Lutherhaus gefunden zu haben.

Bereits die Nachwuchs-Musiker der "Crazy Bläser Company" unter Leiterin Theresa Holder versüßen dem Auditorium mit fetzigen "Abba"-Anklängen zu Fernando den Nachmittag, ehe "Deep Purple" mit "Smoke On The Water" die Gemüter erhitzt. Ohne Zweifel: Im Sound des Jugend-Ensembles steckt schon richtig Kraft und wenn der Klangkörper unter seiner passionierten Dirigentin dran bleibt, darf man von diesen leidenschaftlichen Kräften wohl noch so einiges erwarten!

Blumige Virtuosität

Das sollte man ohne jeden Abstrich auch für diese Stunden festhalten. Man muss nur die Sinne schärfen, auf die lautmalerischen Stimmen der "SchwetSingers" hören, die mit "Maranoa" Manuel P. Grunds urig-afrikanisches Klangwerk uraufführen - und hat den richtigen Groove dieser Stunden direkt im Ohr.

Eben noch applaudierender Zuhörer, steht Grund schon Minuten später selbst als Kopf der großen Gesamtkapelle am Dirigentenpult - und führt seine Musiker mit Leonard Bernsteins Suite zur "West Side Story" gleich einmal zu mondänem Glanz. Den mag man dieser Tage in Nordamerika zwar immer wieder in Zweifel ziehen, doch so herzhaft und prall, so melodisch und formschön, wie die Tutti den Konflikt zwischen den rivalisierenden Gangs dieses legendären Musiktheaterwerkes ausfechten, wird das Zuhören zur wahren Freude. Doch ganz als sei dieser Streich nur ein Auftakt für höhere Weihen, schreitet der Dirigent zur Tür hinaus - und kommt nicht wieder, ohne die Solistin des Tages, Mira Dimitrov, an seiner Seite zu haben. Die Blüten prangen der jungen Geigerin schon auf der Robe, doch wenn sie den Bogen zu Enrico Tosellis "Serenata Sentimentale" ansetzt, nimmt blumige Virtuosität plötzlich Notenform an. Wie von Engelsflügeln getragen, gleitet Dimitrov sanft durch die Takte, auf der behutsamen Kapellenbegleitung thronend wie auf einer zarten Wolke. Doch wie rasch mag sich solcher Pathos umkehren, wenn erst Nikolais Rimsky-Korsakow mit seinem "Hummelflug" ruft. Rasend, pulsierend, elektrisierend huschen uns die Läufe ins Ohr, eilen die Finger über die Saiten, wird die Hummel zum fliegenden Ferrari. Ist das ein Klangspaß, macht das Lust auf mehr!

Federleichte Brillanz

Es wirkt ja wirklich allzu gerne einmal so, als versuche florale Dekoration eine Stimmung zu kreieren, die sich sonst schwerlich einstellen mag, doch das Waldhorn, aus dem die Blumen als Dekor herausragen, trifft an diesem Tag genau den richtigen Punkt, indem es zeigt: Hier blüht die Musik heut' richtig auf! Und dazu hat sie auch allen Grund. Mit der Verve, die in den weltbekannten Klängen von "Forrest Gump" liegt, reitet der Klangkörper in die zweite Hälfte - und findet dabei vom Saxofon bis zur Klarinette, vom Horn bis zur Posaune nicht nur zu quasi traumwandlerischer Synchronität, sondern bietet delikate Akzente feil, die man bei Weitem nicht zu jedem Konzert hören darf.

Noch eindrucksvoller gerät dem Klangkörper da nur die erneute Zusammenarbeit mit den "SchwetSingers" (Sängerbund), über die die Stadtkapelle in Zukunft noch viel häufiger nachdenken sollte. Denn so prachtvoll, wie das Gesangsensemble von Elena Spitzner sich bei "Moment for Morricone" mit dem warmen Bläser-Sound verbindet, um dieser Hommage zwischen "Spiel' mir das Lied vom Tod" und "Zwei glorreiche Halunken" den rechten Glanz zu verleihen, klingen beide wie in Ton gegossenes Gold. Selbst die "Bohemian Rhapsody" von "Queen" und das Medley zu "Phantom der Oper" samt Schrei und "Music Of The Night" können da nur noch als i-Punkte eines Konzerts dienen, das sich mit federleichter Brillanz längst in die Herzen der höchst begeisterten Zuschauer gespielt hat. Bleibt in Richtung der Verantwortlichen nur eines zu sagen: Bitte weiter so!

© Schwetzinger Zeitung, Dienstag, 28.04.2017 / Autor: Markus Mertens (mer)